Recht - Urteile

EuGH zur Zeitarbeitnehmer-Bezahlung: Ausnahme von Equal-Pay wackelt

Zeitarbeitnehmer müssen grundsätzlich das gleiche Geld verdienen, wie das Stammpersonal des Entleihers. Bislang war jedoch ein niedrigerer Lohn erlaubt, wenn ein abweichender Tarifvertrag dies zulässt. Doch dieses Vorgehen kann dem Europarecht widersprechen, so der Europäische Gerichtshof (EuGH), wenn in den maßgeblichen Tarifverträgen nicht sogenannte Ausgleichsvorteile vorgesehen sind, die als Kompensation für das geringe Entgelt von dem Verleiher geleistet werden, um den „Gesamtschutz“ der Zeitarbeitnehmer zu gewährleisten. Derartige Ausgleichsvorteile müssen geeignet sein, die Ungleichbehandlung der Zeitarbeitnehmer auszugleichen Die Entscheidung hat Auswirkungen auf eine gesamte Branche.

Dazu Dr. Alexander Bissels, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland:

„Der EuGH verlangt Ausgleichsvorteile in Tarifverträgen, wenn durch diese vom Gleichstellungsgrundsatz, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, abwichen wird und der Zeitarbeitnehmer – im Vergleich zu einem Stammbeschäftigten – eine geringere Vergütung erhält. Derartige Ausgleichsvorteile sehen die in der Praxis verbreiteten Tarifverträge, die für Zeitarbeitnehmer Anwendung finden, nicht – zumindest nicht ausdrücklich – vor.“

Der auf Zeitarbeit spezialisierte Arbeitsrechtler erläutert:

„In diesem Zusammenhang dürfte es aber ausreichend sein, dass dem überlassenen Zeitarbeitnehmer, der ein geringeres Entgelt als der Stammbeschäftigte im Entleihbetrieb erhält, an anderer Stelle im Tarifvertrag höhere Leistungen zugesagt werden, zum Beispiel mehr Tage Urlaub. Der EuGH geht von einem konkret anzustellenden Vergleich zwischen dem für den überlassenen Zeitarbeitnehmer tariflich vorgesehenen Entgelt und der sonstigen wesentlichen Arbeitsbedingungen für einen vergleichbaren Mitarbeiter des Kunden aus. Es kommt daher auf den Einzelfall an, ob der Zeitarbeitnehmer überhaupt Nachzahlungsansprüche gegen den Verleiher hat.“

Weiter fügt Bissels hinzu:

„Der EuGH stellt zudem fest, dass der Gesetzgeber keine Voraussetzungen und Kriterien für die vom Gleichstellungsgrundsatz abweichenden Tarifverträge im AÜG festschreiben muss; deren Festlegung ist Sache der Tarifvertragsparteien. Es muss aber sichergestellt sein, dass die Tarifverträge gerichtlich dahingehend geprüft werden können, ob die Tarifvertragsparteien ihrer Pflicht zur Achtung des Gesamtschutzes von Zeitarbeitnehmern nachkommen beziehungsweise nachgekommen sind.“

Der Anwalt zu den Auswirkungen auf die Zeitarbeitsbranche:

„Es hätte schlimmer kommen können, da durch das Urteil des EuGH der befürchtete `Flächenbrand´ wohl ausbleiben dürfte, der zur Folge gehabt hätte, dass Verleiher uneingeschränkt Nachzahlungen gegenüber Zeitarbeitnehmern und gegenüber auch der Deutschen Rentenversicherung ausgesetzt werden. Es ist vielmehr im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob entsprechende Ansprüche auf eine Nachzahlung und darauf abzuführender Sozialversicherungsbeiträge tatsächlich bestehen. Liegt im konkreten Fall aber eine Entgeltdifferenz vor, was der Zeitarbeitnehmer zu beweisen hätte, ist nicht auszuschließen, dass dieser den Verleiher auf eine Nachzahlung in Anspruch nehmen wird. Dies wird im Zweifel dann aber gerichtlich geklärt werden müssen.“

Quelle: CMS Hasche Sigle Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB

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