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Geschlechterdiversität wächst, internationale Ausrichtung nur mangelhaft, einzelne Gremien erstklassig

München – Russell Reynolds Associates erweitert seine etablierte DAX-Aufsichtsratsanalyse um den MDAX. Die „MDAX-Aufsichtsratsstudie“ zeigt: Es mangelt Aufsehern an Digitalkompetenz sowie an Marketing- und Sales-Erfahrung.

Quelle: „obs/Russell Reynolds Associates“

2016 wurden 24 von 44 zu vergebenden Aufsichtsratsposten in MDAX-Unternehmen mit Frauen besetzt. Damit ist der Anteil neu gewählte Frauen im Jahresvergleich von 47% auf 55% deutlich angestiegen. Insgesamt liegt der Anteil weibliche MDAX-Aufseher aktuell bei 25%, und 26 Gremien (d. h. 52%) erreichen die gesetzliche Frauenquote von 30% (2015: nur 13). Basierend auf den regulär auslaufenden Mandaten und bei Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben werden 2017 neun zusätzliche Gremien die Quote erfüllen. Weitere zehn können bis 2018 und drei bis 2019 die vorgeschriebene 30%-Hürde erreichen. Bei Fuchs Petrolub (25%) und Hugo Boss (17%) stehen die nächsten Wahlen erst 2020 an. Überdurchschnittliche Geschlechterdiversität erreichen unter den Konzernen Bilfinger und HELLA KGaA Hueck & Co. mit einer Quote von jeweils 50%. Schlusslichter sind TAG Immobilien, die RTL Group, Zalando, Rational und die Deutsche Wohnen, deren Aufsichtsgremien ausschließlich aus Männern bestehen.

Trotz struktureller Veränderungen in 27 von 50 Gremien zwischen 2015 und 2016 kann sich die Qualität in der Aufstellung der MDAX-Aufsichtsgremien sehen lassen: Bei einer an deutschen Schulnoten orientierten Durchschnittsbewertung der Aufsichtsratszusammensetzung ergibt sich für 2016 eine Durchschnittsnote von 2,7. Diese liegt damit nur geringfügig unter der Note für die DAX-30-Aufsichtsräte aus demselben Jahr (2,4). „Dies ist bemerkenswert, da die Gremien im Vergleich zum DAX meist kleiner sind und im allgemeinen über weniger Strahlkraft verfügen als im DAX“, so Dr. Thomas Tomkos, Managing Director und mitverantwortlich für die Board Practice von Russell Reynolds Associates in Deutschland. „Eine weitere Besonderheit des MDAX ist auch die Tatsache, dass es sich bei den Konzernen oft um stärker spezialisierte Unternehmen mit im Vergleich zum DAX 30 geringerer Diversifikation handelt. Diese Nischencharakteristik spiegelt sich zum Teil auch in der Besetzung der Aufsichtsratsgremien wider.“

Angeführt wird das Studienranking von Evonik Industries und Metro mit einer Note von jeweils 1,8. Den dritten Platz teilen sich DMG MORI, die HOCHTIEF Aktiengesellschaft, Ströer sowie die KION GROUP AG mit einem Schnitt von 2,0. Die schlechteste Wertung erhält vor allem aufgrund mangelnder Geschlechterdiversität und fehlender Internationalität TAG Immobilien mit einer 3,5.

Die Studie der international führenden Personalberatung Russell Reynolds Associates analysiert die MDAX-Aufsichtsgremien anhand der verfügbaren biografischen Daten ihrer Mitglieder darauf hin, wie gut diese in Bezug auf Kriterien wie „geschäftsrelevante Erfahrung“‚ „Mandatslast“, „Diversität“‚ oder „Digitalkompetenz“ abschneiden.

Jung, weiblich und neu dabei: Frauen sind deutlich jünger und kürzer im Amt als ihre männlichen Kollegen

Das Durchschnittsalter der MDAX-Aufsichtsratsmitglieder liegt je nach Gremium zwischen 45 (Ströer) und 66 Jahren (Salzgitter AG). Auch bei der durchschnittlichen Amtslaufzeit weisen die Unternehmen eine signifikante Spanne auf. Diese liegt aufgrund der noch jungen Börsennotierung von Covestro zwischen einem halben Jahr und 13 Jahren (Hannover Rück). Das typische MDAX-Aufsichtsratsmitglied ist 60 Jahre alt und seit fünf Jahren im Amt. Ein deutlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern: Frauen sind im Schnitt bei Amtsantritt 49 Jahre alt, fast drei Jahre kürzer im Amt und mit durchschnittlich 52 Jahren zehn Jahre jünger als ihre männlichen Kollegen, diese sind im Schnitt 62 Jahre alt. Ströer stellt den mit Abstand jüngsten Aufsichtsrat mit einem Durchschnittsalter von 45 Jahren. Bei der Hannover Rück (13 Jahre) und MTU (8 Jahre) haben die Aufsichtsräte die im Durchschnitt längste Zugehörigkeitsdauer, während die Aufseher bei Bilfinger, Covestro und STADA weniger als zwei Jahre im Amt sind.

Beunruhigende Diagnose: Fast zwei Drittel der Boards besitzen keinen ausgewiesenen Digital-Experten

Grund zur Sorge liefert die Analyse der Schlüsselkriterien und -kompetenzen der Aufsichtsräte. So haben gerade einmal 34% der MDAX-Boards einen dezidierten Experten für Digitales. Jens-Thomas Pietralla, Managing Director bei Russell Reynolds Associates und verantwortlich für die „MDAX-Aufsichtsratsstudie“ dazu: „Angesichts der strategischen Brisanz des digitalen Wandels überrascht es, wie wenig Aufmerksamkeit dem Thema in den Aufsichtsratsgremien der MDAX-Unternehmen geschenkt wird. Zweifelsohne entscheidet die Digitalkompetenz in den kommenden Jahren über Erfolg und Misserfolg vieler Konzerne – ungeachtet der Branchenzugehörigkeit. Um für die anstehenden digitalen Umbrüche gerüstet zu sein und im internationalen Wettbewerb nicht abgehängt zu werden, müssen deutsche MDAX-Unternehmen diesem Thema auch bei der Aufsichtsratsbesetzung Priorität einräumen.“ Ferner haben die Aufsichtsräte des MDAX deutliche Schwächen, was die HR-Fachkenntnis angeht. Ebenso überraschend wie brisant ist die Tatsache, dass nur 16% der Aufsichtsgremien über jeweils zwei Mitglieder mit der besonders wichtigen Sales- und Marketing-Erfahrung verfügen.

Internationalität Fehlanzeige – Deutsch bleibt bei MDAX-Aufsichtsräten Amtssprache Nummer eins

Der Anteil ausländische MDAX-Aufsichtsräte ist mit 21% deutlich niedriger als im DAX 30 (27%), und bei 34% der Unternehmen sitzt sogar kein einziger ausländischer Aufseher im Gremium. Zudem stellen Österreich und die Schweiz, zwei Deutschland kulturell sehr nahestehende Nationen, mit insgesamt 15 Mandatsträgern das höchste Kontingent. Aus dem restlichen Europa kommen 38 Aufsichtsräte. Es folgen die USA und Kanada (7), Südafrika (6) und China (4). Lateinamerika ist nicht vertreten.

„Ohne die Unternehmen mit ausländischen Mehrheitseigentümern wie Steinhoff, KION sowie HOCHTIEF und Airbus hinken die MDAX-Konzerne in Sachen Internationalität leider noch massiv hinterher. So ist beispielsweise der Anteil Aktionärsvertreter aus den USA und Kanada nur halb so hoch wie im DAX 30 – und auch dort ist der Anteil besorgniserregend niedrig“, so Pietralla. „Dass es auch anders geht, beweisen neben den bereits erwähnten Unternehmen auch Bilfinger, GEA, Hugo Boss und Zalando. Diese weisen einen Ausländeranteil von 50% und mehr bei den Aktionärsvertretern auf. Diese kulturelle Vielfalt und das Einbinden der internationalen Perspektive sind für die Exportnation Deutschland ein zentraler Erfolgsfaktor.“

Auch im vergangenen Wahljahr zeigte sich kein Umdenken beim Thema Internationalität: Insgesamt lag der Anteil deutsche Nachrücker bei 75%, wobei 83% der weiblichen Neubesetzungen und 65% der Männer, die neu in ihr Amt gewählt wurden, aus Deutschland stammen.

Kampf um die besten Kandidaten: doppeltes „Superwahljahr“ 2018 im DAX 30 wie im MDAX setzt Konzerne unter Zugzwang

Während 2017 aus Sicht der MDAX-Konzerne ein durchschnittliches Wahljahr ist, steht ihnen wie auch den DAX-30-Unternehmen 2018 eine bislang beispiellose Anzahl von auslaufenden Mandaten bevor. Allein im MDAX sind es fast ein Drittel aller Mandate. Insgesamt müssen fast doppelt so viele Aufsichtsräte gewählt werden wie in einem durchschnittlichen Jahr. Damit verstärkt sich der Konkurrenzdruck, geeignete Kandidaten rechtzeitig bis Mitte 2017 zu „reservieren“. „Wir werden bereits in diesem, vor allem aber im kommenden Jahr ein spannendes Rennen zwischen MDAX und DAX 30 um die besten Kandidaten erleben“, so Tomkos. „Hinzu kommt, dass die gesetzliche Frauenquote den Druck auf die Unternehmen zusätzlich erhöht.“ Dafür spricht die Tatsache, dass allein die DAX-30-Konzerne bis 2017 im Vorstand und in den ersten beiden Führungsebenen über 230 Frauen benötigen, um ihre gesetzlich mandatierten und ihre selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Im DAX 30 hatten 75% der 2016 gewählten weiblichen Aufsichtsräte Topmanagement-Erfahrung. Beim MDAX waren es im gleichen Zeitraum nur gut 45%. Es überrascht wenig, dass sich das Werben um besonders qualifizierte Kandidatinnen in den nächsten zwei Jahren weiter intensivieren wird.

Quelle: ots

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